Mittwoch, 3. Januar 2007

Germanisch?



Historische Korrektheit ist für Historiker und fachlich Interessierte unerlässlich und wichtig. Trotz alledem kursieren auch heute noch Völkerbezeichnungen, die keine sind: "Die Germanen", "Die Kelten". Bezeichnungen, die schon damals von aussen - von den damals Geschitsschreibenden - gewählt wurden für Stammesansammlungen, die eine ähnliche Kultur, Religion und Lebensweise pflegten. Zusätzlich haben keltische Druiden ausdrücklich den Unterschied zu germanischen Stammesverbänden hervorgehoben. Nicht zuletzt - so ist zu vermuten - um die eigene Kultur zu schützen. Historisch falsch ist auch, einen direkten Bezug von Megalith-Kulturen, den bronzezeitlichen Kulturen und dem Germanischen herzustellen, diese Vorstellungen entspringen historischem Romantizismus.

Wir - die lose Gruppierung, der ich mich zuschreibe - muss sich zwangsläufig "neue Heiden" nennen. Denn die alten Heiden sind tot. Einige von uns nennen sich "Asatru", also "Asentreu" und beziehen sich so strikte auf einen Teil des nordischen Pantheons - sonst müssten sie sich zumindest auch "Wanatru" nennen. Die von der Schweizer Gruppierung gewählte Bezeichnung "Alte Sitte" finde ich da viel offener und zugleich treffender. Oder kann jemand genau ausmachen, welcher von den alten Gebräuchen alamannisch, rätisch, helvetisch, bronzezeitlich oder gar noch älter ist???

Was bei den "neuen Heiden" glücklicherweise verschiedentlich schon gescheitert ist, ist der Aufbau einer "heidnischen Kirche" mit standardisierten Ritualen, religösen Dogmen (aus der Edda als "heidnische Bibel" bezogen!!!) und religiös-dogmatischen Abgrenzungen zu anderen (also die verständlichste wäre noch "Asatru" vs. "Wicca").

Was will ich mit alledem sagen? Schau mal das erste Foto oben an, das ist - im Moment - mein Altar. Ich käme nie auf die Idee, ihn "germanisch" oder gar "alemannisch" zu nennen! Viele würden gleich anspringen und einen Wicca-Altar darin sehen - und der gleichen Oberflächlichkeit unterliegen! Ich sag' mal, was ich darin sehe: Ich sehe Götter (mehrere, männliche und weibliche, meinen Lebens-, Lern- und Alterungsprozess wiederspiegelnde). Ich sehe sicher keinen "lieben Gott" (der dann doch nicht "lieb" ist). Ich sehe verbildlichte (Natur-)Kräfte. Ich sehe Figuren, die in den Vorstellungen der Menschen in dieser oder ähnlicher Form früher einmal existiert haben. Für mich stimmt es, wenn ich Cernunos auch Frey nennen kann, auch wenn Historiker und "Asatruar" dabei den vierfachen Rückwärtssalto schlagen würden. Für mich stimmt es, wenn Diana Frigg/Freyja ist.(siebenfacher, geschraubter Rückwärtssalto, liebe Dogmatiker)..und ich unterstelle, dass schon die ollen Germanen einige Figuren ihres Pantheons zwar sicher selbst gespürt (und darauf kommt es an!) aber in ihrer Bildhaftigkeit und Persönlichkeit nicht selbst erfunden haben! Eigentlich Bildhaftes existiert ja aus dem germanischen Kulturraum sowieso kaum. Der Ur-Mann indoeuropäischer Stämme, Odin/Wotan, war er in seiner Form als Jäger in Kriegsmontur (also doch eher Heerführer), in Jagdmontur oder, in seiner schamanischen Ausprägung, mit Geweih und Fell unterwegs? Für mich austauschbar! Denn es spielt eines eine Rolle, Odin/Wotan als Urbild der männlichen, aggressiven, sexuellen Kräfte! Wenn Du Seidh praktizierst, wirst Du erfahren, dass ein eventueller Unterschied in der Vorstellungswelt wirklich vernachlässigbar ist.

So verhält es sich auch in unserer Sicht von "Germanen", "Kelten", Bronzezeit- und Megalithkulturen: Der direkte historische Bezug ist nicht herzustellen. Ein Bezug ist Rahmen einer kontinuierlichen Entwicklung und Umwälzung der Völker in Europa aber auch nicht von der Hand zu weisen, insbesondere, wenn man bedenkt, dass der Ahnenkult (und damit der Respekt vor älteren Sitten) schon vor dreitausend Jahren und früher eine zentrale Rolle im "religiösen" Leben des Volkes gespielt haben muss. Es ist auch anzunehmen, dass bei "religiösen Neuerungen" den alten Heiligtümern noch immer Respekt gezollt wurde, wenn sie nicht gar weiterhin benutzt wurden. Für mich hört "Alte Sitte" nicht beim Germanischen oder Keltischen auf. Es ist ein Faden, der sich in grauer Vorzeit verliert, ein oder mehrere Fäden, die bei genauem Hinsehen meine Wurzeln bilden.

Schlussendlich liebe ich genau den Pluralismus im Heidentum, der verhindert, dass alles zusammen mal eine riesige heidnische Institution wird. Dieser Pluralismus - so unterstelle ich nun wieder in historischer Unkenntnis - war in der Völkerwanderungszeit und vorher in gewissen Grundzügen (aufgrund der niedrigen Bevölkerungsdichte) genauso vorhanden wie heute, exzessiver und auf dem Fundament kapitalistischen Eigenbrödlertums (und als Pluralismus eben doch nicht negativ). Und die von mir gelebte Religion spiegelt meine "seelischen" Realitäten wieder, ist also sehr persönlich.

Und eben daraus komme ich auf die andere bildhafte Darstellung (2. Bild oben), die mich fasziniert und anspricht: Odins Reise zum Aar. Auch hier fühle ich mich daheim. Dieses bild umfasst nur Germanisches. Auf schamanischen, initiatorischen Themen fussend (Odin an der Weltenesche, der Runenkreis), werden heidnische mystische Inhalte thematisiert, besser als in jeder Mystik-Abhandlung des Odinic Rite Deutschland! (Sorry, folks!).

Ich schliesse meine diversen, angefangenen Exkurse: Jeder von unserem bunt zusammengewürfelten Haufen wird SEIN Heidentum leben - eines der Alpennordseite, das schon - und das ist gut so! Hier fusst unsere Gemeinsamkeit, von hier aus können wir versuchen, die alten Sitten wirklich zu verstehen und zu interpretieren und in dieser Freiheit wurzelt unsere wirkliche Stärke, jenseits jeglicher heidnischer Linientreue.

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